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1948 - heute

Förderverein Theresienkapelle Singen e.V

Erinnerungsort

Heute steht die Theresienkapelle unter Denkmalschutz und ist eine Gedenkstätte. Vermutlich ist sie die einzig erhaltene Lagerkapelle, die in Deutschland noch zu finden ist. Der Weg zu ihrem Erhalt war schwierig, denn durch die unklaren Besitzverhältnisse fühlte sich jahrelang niemand für das Gotteshaus auf dem Grundstück eines Industrieunternehmens zuständig. Wilhelm Waibel setzte sich bereits früh für den Erhalt der Kapelle ein – sowohl für den Bau, aber auch als Symbol für Frieden und Versöhnung. Heute ist die Theresienkapelle ein Erinnerungsort an die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, für die engen Verflechtungen zwischen Singen und der Ukraine durch den massenweisen Zwangsarbeitereinsatz, für eine sehr frühe deutsch-französische Versöhnung, für die italienische Arbeitsmigration und bürgerschaftliches Engagement.

1957

Nach der Schließung des Lagers 1948 verwaiste die Theresienkapelle und wurde mehrfach mutwillig beschädigt. Die Bausubstanz wies früh einige Mängel auf, da weder die Kirche, der die Kapelle nicht gehörte, noch der Eigentümer, die Georg Fischer AG, Interesse hatten, viel Geld in Reparaturarbeiten zu investieren. Georg Fischer behielt sich immer vor, das Werk nach Süden zu verlängern und dann für eine Erweiterung die Kapelle abzureißen. Dazu kam es zum Glück nicht.

1957 verfasste der damals 23-jährige Wilhelm Waibel (Jahrgang 1934) einen Aufruf in der Lokalpresse, dass die Kapelle erhalten werden müsse. Er hatte als Messdiener in St. Josef Pfarrer Härtenstein zu Gottesdiensten in das Lager begleitet und wies in dem Artikel auf die Bedeutung der Kapelle als Symbol für Frieden und Versöhnung hin.

1960 – 2000

Durch ein Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik und Italien kamen seit 1960 zahlreiche „Gastarbeiter“ aus Italien nach Deutschland. Die Industrie in Singen bot vielen von ihnen Arbeitsplätze und schnell wuchs die Zahl der Arbeitsmigranten an. Deshalb wurden ab 1960 Gottesdienste für sie auf Italienisch in Singen angeboten, die in der Theresienkapelle stattfanden. Verantwortlich war die Italienische Katholische Mission (MCI). Im Herbst 2020 endete die Nutzung der Theresienkapelle durch die Italienische Katholische Mission, da die Gemeinde nun neu in der Elisabethenkirche ihre Gottesdienste abhalten wollte.

01.04.1964

Die italienischen Migrant*innen in Singen erhielten ab April 1964 einen eigenen Geistlichen, nachdem ihre Zahl auf über 1500 Personen angestiegen war. Es handelte sich um den gebürtigen Südtiroler, Don Mario Peterlini.

1966

Die Gemeindemitglieder der Italienischen Katholischen Mission führten umfangreiche Reparaturarbeiten an der Theresienkapelle aus.

1985

TV-Dokumentation über die Theresienkapelle durch den damaligen Südwestfunk (SWF). Es wurde auf die besondere Geschichte der Kapelle als Mahnmal hingewiesen. Dazu fand ein Gespräch mit Franzosen in der Kapelle statt, eine Form der deutsch-französischen Versöhnungsarbeit.

1987

40-jähriges Jubiläum der Kapelle mit einem großen Festakt im Singener Rathaus. Erneut berichtete der SWF in den TV-Nachrichten darüber. Die damalige Stadträtin Marion Czajor hatte auf der Grundlage von den Wilhelm Waibels Recherchen eine Broschüre zur Geschichte der Kapelle herausgegeben (link: BUCH M.Czajor – Ein Mahnmal für Versöhnung und Völkerverständigung). An dem Jubiläum nahmen auch Mitglieder des Vereins der ehemaligen Kriegsgefangenen teil, die dann vom SWF kurz interviewt wurden.

1990

1990 erfolgte die Anerkennung der Kapelle als Kulturdenkmal aus wissenschaftlichen und heimatschutzrechtlichen Gründen durch das Denkmalamt. Dieser Status bedeutete einen wichtigen Schritt zum Erhalt der Kapelle und ihrer ursprünglichen Ausstattung.

1995

1995 erschien die erste Auflage die Publikation von Wilhelm Waibel mit dem Titel „Schatten am Hohentwiel“, in der er seine umfangreichen Recherchen zur Aufarbeitung der massenweisen Zwangsarbeit in Singen während der NS-Zeit, die Frage einer Entschädigung, die Geschichte der Theresienkapelle und die Begründung einer Städtepartnerschaft mit Kobeljaki thematisierte. Es folgte 1997 eine zweite überarbeitete Auflage, da das Buch schnell vergriffen war. Die UEK (Unabhängige Expertenkommission Schweiz) verwendete die Forschungen von Wilhelm Waibel für die Aufarbeitung der Geschichte Schweizer Unternehmen in der Zeit des Nationalsozialismus. Das waren die in Singen ansässigen Großbetriebe: Alu Suisse, Maggi und Georg Fischer. Georg Fischer hat die Firmengeschichte vorbildlich aufgearbeitet und stellt alle Unterlagen im Firmenarchiv der Forschung zur Verfügung. Die Aluminium wechselte mehrfach den Besitzer und das Firmenarchiv wurde um 2012 vernichtet. Die Maggi Singen verfügt über ein Firmenarchiv, gewährt jedoch keinen Zugang zu den Akten über Zwangsarbeiter*innen oder die NS-Zeit. Maggi war ab 1. Mai 1940 ein „nationalsozialistischer Musterbetrieb“. Im Krieg (1941-1943) gab es in Kiew eine Zweigniederlassung von Maggi, die vermutlich Speisefette hergestellt hat.

1997

Die Georg Fischer AG schenkte der Stadt Singen die Theresienkapelle. Im gleichen Jahr wurde das 50. Jubiläum feierlich begangen.

1999

Der Bauausschuss der Stadt Singen genehmigte einvernehmlich den Bau der Autowaschanlage in der Fittingstraße, direkt neben der Theresienkapelle. Die Vermarktung des Grundstücks galt wegen der denkmalgeschützten Kapelle und der vorhandenen Gleisanlage als problematisch. Der städtische Ausschussvorsitzende war damals froh, dass die geplante Waschanlage sich „gut einfüge“.

27. April 2006

Am 27. April 2006 fand im Gasthaus Sternen in der Singener Innenstadt die Gründungsversammlung des Fördervereins Theresienkapelle statt. Gründungsmitglieder waren Manfred Schüle, Wilhelm Waibel, Bernd Häusler, Uwe Schemel, Markus Waibel, Peter Hänssler und Georg Netzhammer. Der Verein setzte sich zum Ziel, für den Erhalt der Kapelle und eine lebendige Erinnerungskultur einzutreten.

2007

Der Förderverein sammelte Spendengelder, um die durch Vandalismus zerstörten Buntglasfenster rekonstruieren zu lassen. Zum 60. Jubiläum der Kapelle wurden die ersten drei restaurierten Kirchenfenster eingeweiht. Die weiteren folgten in den Jahren darauf.

2013

2013 sind alle Kirchenfenster wieder vollständig nach alten Zeichnungen erneuert worden. Regelmäßig veranstaltet der Förderverein am 9. Mai, dem Tag des Kriegsendes, eine Gedenkveranstaltung in der Kapelle.

März 2014

Im März 2014 trat Manfred Schüle nach acht Jahren als Vorstand des Fördervereins zurück. Als Nachfolgerin wurde Carmen Scheide gewählt.

2015 / 2016

Ende 2015 wurde an die Landeszentrale für politische Bildung ein Antrag gestellt, dass die Theresienkapelle als Gedenkstätte anerkannt wird. Anfang 2016 wurde der Antrag durch die Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten (LAGG) angenommen. Die Theresienkapelle ist dadurch eine offiziell anerkannte Gedenkstätte und erhält Fördergelder von der Landeszentrale für politische Bildung, verbunden mit dem Auftrag, aktiv Geschichtsvermittlung anzubieten.

2016

Auf dem Neujahrsempfang der Stadt Singen im Januar 2016 verlieh Oberbürgermeister Bernd Häusler Wilhelm Waibel die Ehrenbürgerwürde der Stadt Singen.

09. November 2017

Am 9. November 2017 fand ein feierlicher Gottesdienst und Festakt anlässlich des 70. Jubiläums der Theresienkapelle in der Gemeinde St. Josef statt. Bereits im September 2017 wurde eine Ausstellung im Rathaus Singen zur Geschichte der Kapelle eröffnet. Ebenso erschien eine Publikation, beides in Zusammenarbeit des Stadtarchivs Singens mit dem Förderverein.

Oktober 2019

Im Oktober 2019 fand in der Stadthalle Singen die Premiere des 90-minütigen Dokumentarfilms „Der Chronist“ von Marcus Welsch statt. Er zeigt die Geschichtsarbeit von Wilhelm Waibel, seine Suche nach den Zwangsarbeitern und die Verflechtungen zwischen Singen, der Ukraine und Polen. Für den Film wurden noch ehemalige Zwangsarbeiter interviewt.

Mai 2020

Im Mai 2020 wurde der erweitere Denkmalschutz für die Theresienkapelle beim Landesdenkmalamt eingetragen. Die Begründung lautet:

„Bei der Theresienkapelle mit umgebender Grünfläche handelt es sich wegen der hohen wissenschaftlichen und heimatgeschichtlichen Wertigkeit um ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung im Sinne des § 12 DSchG.“

November 2021

Zum Volkstrauertag im November 2021 wurde die neu gestaltete Grabreihe der sogenannten „Russengräber“ auf dem Waldfriedhof Singen würdevoll eingeweiht. Ein Gedenkstein erinnert an die hier liegenden Toten. Wilhelm Waibel hat sich viele Jahre für diesen Erinnerungsort eingesetzt, der auf seinen Vorschlag nun „Ort der Entrechteten“ genannt wird.

2022

75 Jahre Theresienkapelle 2022/2023

Im November 2022 und Mai 2023 wurde das 75-jährige Bestehen der Theresienkapelle mit einem Friedensgebet und einer szenischer Lesung begangen. Die Lesung beruhte auf den Erinnerungen des ehemaligen Lagerinsassen Günter Fleckenstein. Anwesend waren 14 Nachfahren von Jean Le Pan de Ligny aus Frankreich.

Bedeutung der Theresienkapelle: Die Theresienkapelle ist eine Lagerkapelle, die auf einem Luftschutzbunker im Industriegebiet erbaut wurde. Der Ort verweist auf die Lager für Zwangsarbeiter*innen, besonders auf die Schicksale der Menschen in den von den Deutschen besetzten Gebieten in Osteuropa während des Zweiten Weltkriegs. Wilhelm Waibel hat über viele Jahre Material zu den Lebensgeschichten dieser damals entrechteten Menschen gesammelt. Der Förderverein verfügt über ein Archiv verschiedener Selbstzeugnisse von Zwangsarbeiter*innen aus der Sowjetunion, die in Singen waren.

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Die Arbeit des Fördervereins ist breit gefächert und umfasst nicht nur den Erhalt des Denkmals, sondern auch die Geschichtsvermittlung. Es werden Führungen und Veranstaltungen angeboten sowie Publikationen erstellt. 2019 wurde ein Dokumentarfilm fertig gestellt („Der Chronist“). Alle Vereinsmitglieder engagieren sich ehrenamtlich. Ihre Spende ermöglicht es, Projekte zu realisieren. Vielen Dank für ihre Unterstützung!

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Ansprechpartner

Dr. Carmen Scheide
1. Vorsitzende

Impressionen der Theresienkapelle Singen

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